Gastbeitrag von Christoph Malin
Das E-MTB ist ein geniales Wintersportgerät, und Schneebiken eine Riesengaudi.Doch ein paar Dinge sind dabei zu beachten, damit Wintertouren auch richtig gut werden!
Beleuchtung
Im Winter wird es früh dunkel, deshalb gehört eine leistungsfähige, und vor allem aufgeladene Lampe auf jeden Fall dazu. Am Ende einer schönen Tour orientierungslos im finsteren, eiskalten Wald zu stehen ist kein Spass, deshalb nie ohne Lampe!
Ob die nun am Helm montiert wird, oder etwa schon vom Hersteller vormontiert Teil des E-MTBs ist, macht nichts. Hauptsache der Akku ist voll geladen.
Bei Helmmontage ist darauf zu achten, dass bei sehr kalten Wintertagen die Leistung des exponierten Akkus schneller in die Knie gehen als einem lieb ist. Deshalb empfiehlt sich bei Helmmontage über ein Verlängerungskabel den Akku im Rucksack zu platzieren (zB neben der Thermoskanne). Sollte kein Verlängerungskabel vorhanden sein, dann sind Ersatzakkus im Rucksack eine gute Idee.
Fahrwerk
Wir haben das schon oft erlebt: kristallklarer, blauer Himmel an einem kalten Wintertag. Aber das Fahrwerk des Bikes scheint wie eingefroren, die Federung wirkt zäh, überdämpft. Das hat zwei Ursachen: Nicht wenige E-MTB Fahrwerke sind nach wie vor selbst bei sommerlichen Temperaturen eigentlich zu stark überdämpft. Die Hersteller versuchen das höhere Eigengewicht des EMTBs mit grundsätzlich strafferen Dämpferabstimmungen zu kompensieren, und schiessen dabei übers Ziel hinaus. Bei niedrigen Temperaturen ist der Einstellspielraum von Druck- und Zugstufe dann viel zu klein bemessen, Gabel und Dämpfer lassen sich nicht mehr auf die niedrigen Temperaturen regeln. Die zweite Ursache: 100% der Öle in marktgängigen Federbeinen und Dämpfer sind nicht für den Winterbetrieb in den Alpen ausgelegt, und ändern ihre Viskosität bei niedrigen Temperaturen in Richtung zäh. Das Öl fliesst nurmehr mit erhöhtem Widerstand durch die für die Dämpfung zuständigen Shims und Ölports im Ölkreislauf, Dämpfer und Federbein werden langsam, federn wenn überhaupt zäh aus und ein, und das auch bei komplett geöffneter Zug- und Druckstufe. Die Lösung ist für Winterbiker schon im Herbst anlässlich eines Services das Gabel- und Dämpferöl auf geringere Viskosität (Winteröl) tauschen lassen. Das macht aber durchaus Sinn, da hierbei auch das Schmieröl in den Tauchrohren getauscht wird, und so beispielsweise die Federgabel vor erhöhtem Verschleiss im Winter geschützt wird.
Kettenöl
Hier gilt das gleiche wie beim Federgabelöl: Im Winter sollten hochviskose Kettenschmiermittel verwendet werden, sonst ist der Antriebsstrang einem höheren Verschleiss unterworfen, und friert auch noch gerne ein.
Bremsflüssigkeit
Bei besonders kalten Aussentemperaturen und Windchill ist uns schon passiert dass das Öl in Magura und Shimano Bremsen zähflüssig wurde. Kein Problem mit DOT Bremsen wie der SRAM Code. In seltenen Fällen können die O-Ringe der Kolben im Bremssattel so hart werden, dass die Kolben nicht mehr zurückstellen. Für alle Fälle gibt es nur ein Mittel: Treten bis die Bremsen warm werden.
Das Winter-Set Up
Ein Überblick über die wichtigsten Ausrüstungs- und Zubehör Tipps und Tricks damit das E-MTB im Winter fit bleibt und auch bei niedrigen Temperaturen gut funktioniert.
Spikes?
Wie in der Nacht nie ohne Lampe gilt für die Reifen das gleiche: im Winter NIE ohne Spikereifen. Stürze auf Eis oder Hartschnee sind damit vermeidbar, Grip bieten diese Reifen ohne Ende. Klassiker: der Schwalbe Ice Spiker Pro. Erhältlich in 29“ und 27.5“ und in zwei verschiedenen Breiten. Ausschlaggebend für die Performance ist primär die Anzahl der Spikes (je mehr desto besser), und die Reifenbreite je nach Oberflächenhärte (je breiter desto mehr schwimmt der Reifen auf Weichschnee auf). Auf allen Oberflächen ausser weichem, tieferem Schnee bietet der Ice Spiker Pro 29“ x 2.25“ mit 402 Spikes am meisten Grip. Der 27.5“ x 2.6“ mit 344 Spikes bringt in tieferem Schnee Vorteile, ist auf hartem Schnee nicht ganz so griffig. Der 27.5“ x 2.25“ mit 378 Spikes muss sich in der Performance dem 29“ Reifen geschlagen geben.
Die Elektronik im Winter
Bei niedrigen Temperaturen gilt es beim E-MTB den Akku vor dem Auskühlen zu bewahren, sonst wird die Leistung reduziert. Wie das geht lesen Sie hier!
Akkuschoner
Intube Bikes sind im Winter im Vorteil: der Akku erwärmt sich im Betrieb schneller und ist etwas besser geschützt. Aber egal ob der Akku auf oder im Oberrohr platziert ist: Der auf Raumtemperatur gehaltene Akku wird erst kurz vor der Fahrt ins Rad eingesetzt. Sollte am Tourziel eine Hütte mit Einkehr warten, den Akku nicht im freien abkühlen lassen, sondern mit in die Hütte nehmen.
Das Gesicht
Erfrierungen passieren bei eisiger Kälte und schneidendem Wind auf exponierten Hautpartien schneller als man denkt. Sogenannte Coldcreams bilden eine schützende zweite Schicht über der Haut. Generell gilt aber, bei Minustemperaturen alle Hautpartien entsprechend zu schützen. Dabei hilft eine Skibrille, ein Skihelm (wärmer als Bikehelme) sowie ein Buff bzw bei ganz extremer Kälte eine Gesichtsmaske.
Richtige Bekleidung gegen die Kälte
Der Spass beim Winterbiken steht und fällt mit der richtigen Bekleidung, die ist aber keine Hexerei. Klassische Skitourenbekleidung erfüllt die Anforderungen perfekt.
Mehrschicht
Wie beim Wandern oder Skitourengehen arbeitet man auch beim Winterbiken nach dem Zwiebelprinzip. Dabei sind die Temperaturen natürlich im Frühjahr oder im Hochwinter höchst unterschiedlich, und es ist durchaus ein Unterschied ob man im Hoch- oder Mittelgebirge unterwegs ist, oder in Kälteinseln im Tal. Diese Bandbreite deckt klassische Skitourenbekleidung, die erfahrungsgemäss gleichzeitig sehr atmungsaktiv aber auch wärmend sein muss sehr gut ab, und wir haben damit beim Winterbiken beste Erfahrungen gemacht. Beim Uphill fährt man mit weniger Schichten und steuert über die Unterstützungsstufe den Grad der Transpiration. Bei sehr kaltem Wind kann gerne noch eine isolierende Primaloft Isolationsjacke dazugenommen werden. Als unterste Schicht bietet sich Merino Unterwäsche an. Wichtig ist, dass man auf jeden Fall vor der Abfahrt verschwitzte Teile der Ausrüstung wechselt. Durch den Abfahrtsfahrtwind beim Biken kühlt man ansonsten schnell aus, das Reaktionsvermögen wird schlechter. Cross Country Fahrer behelfen sich mit Heatpads die, an strategisch wichtigen Stellen permanent warmhalten, und so ein Auskühlen effektiv vermeiden. An Knie und Ellbogen halten Protektoren sehr gut warm.
Heatpads
Latentwärmespeicher wie Heatpads oder Multiwärmer, die Wärmeenergie über längere Zeit abgeben können, sind genial: Strategisch richtig platziert (zB bei der Brust, den Hüften, in Seitentaschen, an den Fußsohlen) können sie an sehr kalten Tagen bei viel Fahrtwind oder Windchill ein Auskühlen und somit Erkältungen effektiv verhindern. Sie sind auch perfekt gegen Durchblutungsstörungen. Dabei unterscheidet man zwischen Mehrweg-Wärmekissen, die in kochendes Wasser gelegt werden, und bei ca. 58 Grad dann verflüssigen. Wird nun ein Metallplättchen im Wärmekissen gedrückt, löst das die Re-Kristallisation aus. Das Kissen erwärmt sich dabei wieder auf die Schmelztemperatur, wobei die vollständige Kristallisation und damit die Freigabe der latenten Wärme sich über eine längere Zeit erstrecken kann. Ebenfalls bewährt mit 20h plus Laufzeiten sind Einweg Wärmekissen. In einem luftdurchlässigen Beutel entsteht durch langsame Oxidation von Eisenpulver mit Sauerstoff Reaktionswärme. Salz und Wasser erfüllen katalytische Aufgaben, Aktivkohle und Vermikulit dienen als Wasserspeicher und auch als Katalysatoren. Durch luftdichtes Verpacken kann die Reaktion gestoppt und die Wärmeabgabe zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden.
Handschuhe
Wer öfters kalt hat mit Handschuhen, dem kann mit einem alten Bergsteiger Geheimtipp geholfen werden: Seidenhandschuhe (aus dem Bergsportfachhandel) als erste Schicht wirken oft Wunder. Bei Durchblutungsstörungen oder kalten Händen hilft natürlich auch eine Minute Armkreisen oder Händeschütteln, dadurch wird die Durchblutung gesteigert. Grundsätzlich sind Mehrfingerhandschuhe zwar beim Biken praktischer aber auch kälter, hier sind 2/2-Finger Handschuhe oft die bessere Wahl. Der Österreichische Multiwärmer Hersteller TheHeatCompany hat sogar passende Skitouren Handschuhe für die hauseigenen Heatpads entwickelt, die ausgezeichnet funktionieren.
Klick- versus Flat-Pedale
Wer kennt das nicht: Eine Stunde mit Klickpedalen im Winter unterwegs, schon frieren von unten die Füsse ein. Kein Wunder: Die Pedal-Cleats wirken zuverlässig wie eine Kältebrücke, egal was uns die Hersteller versprechen. Auch als „Winterbike“ Schuhe gepriesene Modelle, sind oft bei tiefen Temperaturen am Limit. Winterwanderschuhe und Flat Pedals sind hier angesagt: Die gut isolierten Wanderschuhe haben eine viel höhere Wärmeleistung, und das Flatpedal einen super Grip, zudem vereist es nicht.
Windchill
Der Windchill beschreibt den Unterschied zwischen der gemessenen Lufttemperatur und der gefühlten Temperatur in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit. Er ist definiert für Temperaturen unterhalb von ca. 10 °C. Beim Winterbiken kann er einerseits durch Umgebungswind, aber eben auch durch Fahrtwind hervorgerufen werden, dabei können bei niedrigen Temperaturen ab -20 Grad und Fahrtwind ab 10-15 km/h durchaus innerhalb von 30 Minuten Erfrierungen an exponierten Hautpartien auftregen. Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Windchill
DAS E-MTB IST EIN GANZJAHRESSPORTGERÄT
Interview Lutz Scheffer
# Was fasziniert Dich am Winterbiken mit dem E-MTB?
Die Natur ist im Winter wie verzaubert, die Sommer Trails wie verwandelt. Bei Pulverschnee mit Eisgrundlage greifen die Spikesreifen enorm gut. Schwierige Trails sind im Winter leichter und flowiger zu fahren, da die tiefen Absätze mit Schnee und Eis aufgefüllt sind. Seitlich der Trails hat man eine dicke Schneeauflage die im Fall eines Sturzes einen weich auffängt- ein Riesen Spaß!
Und Nachts im Winter mit Lampe auf große Tour zu gehen, bedeutet völlige Einsamkeit - ein ganz besonderes Erlebnis bei funkelndem Sternenlicht und reflektierenden Scheekristallen. Toll ist das E-MTB auch als Zustiegsgerät bei langen Talhatschern von- und zu Skitouren.
# Worauf achtest Du im Winter bei der Tourenplanung?
Man muss bei der Tourenplanung die Schneeverhältnisse mit einbeziehen. 10 cm frisch geschneiter Pulverschnee bei einer gefrorenen Eis oder Hartschneeunterlage sind Traumbedingungen. Ich nenne es Powderbiken. Bei Harsch und Weichschnee und nicht fester Grundlage, fährt man am besten auf Naturrodelbahnen und nimmt dabei natürlich Rücksicht auf die Rodler. Nach meiner Erfahrung ist das ein völlig problemloses miteinander beider Wintersportarten. Im Endeffekt ist das Biken sogar viel sicherer als Rodeln, da dank Scheibenbremsen und Spikereifen auch auf Eis jederzeit bestens gebremst werden kann. Biken im Winter auf Skipisten ist leider meist illegal, und geht auch nur wenn die Pisten sehr hart sind.
# Was ist beim Akku zu beachten?
Der Akku sollte vor der Tour auf Zimmer-Temperatur durchgewärmt sein. Den bei langen Touren sinnvollen Zweitakku wickelt man in eine isolierende Jacke bevor man Ihn in den Rucksack steckt, oder hat sowieso eine Thermoskanne im Rucksack.
Beim Fahren bleibt der Akku durch seine eigene Wärmeentwicklung beim Entladen auf Betriebstemperatur. Eine gesonderte Isolierung bringt so gut wie gar nichts, das Kunststoffgehäuse des Akkus ist Isolierung genug.
Wichtig ist mit möglichst großer Unterstützung zu fahren, damit der Entnahmestrom für die Selbsterwärmung des Akkus groß genug ist. Stromfahren mit dem Eco-Modus ist im Winter nicht sinnvoll, da der Akku zu wenig leisten muss und auskühlt. Ein kalter Akku bricht in der Kapazität ein, da der Strom bildlich gesprochen in den Zellen einfriert. Dem Akkus geht es dabei wie dem Menschen im Winter - er muss kräftig arbeiten und Strom liefern damit er Leistungsfähig bleibt. Wichtig bei Pausen in einer Hütte: den Akku mit in die warme Stube nehmen.
# Wie ist der Batterieverbrauch im Winter? Höher oder gleich?
Im Winter ist der Energiebedarf beim Biken annähernd doppelt so groß, durch den teilweise extrem erhöhten Rollwiderstand des Schnees in Verbindung mit dem Reifenschlupf. Der Reifen dreht dabei ca. 30% schneller wie die Fahrgeschwindigkeit es normalerweise verlangen würde. Zusammengenommen ergibt sich auf Winterlichen Trails dann ein annähernd doppelter Batterieverbrauch. Bei sehr festem harten Schnee ist bei zügiger Fahrweise mit einem warmen Akku allerdings kaum ein Unterschied zum Sommer feststellbar. Im Gegenteil, der Motor selber bleibt sehr kühl was den Wirkungsgrad verbessert. Das sogenannte “De-Rating”, die Herunterregelung der Motorleistung durch Überhitzung kommt nicht vor.
# Was tust Du gegen Auskühlen auf einer langen Tour mit schnelleren Passagen zwischendurch?
Man zieht sich wie bei einer Skitour an. Bergauf und Bergab sollte man auf trockene Kleidung achten und entsprechend seine Jacke/Hose belüften. Bergab kommen ein zweites Paar trockene und etwas dickere Handschuhe zum Einsatz. Skihelm, Skibrille und Buff- schützen das Gesicht. Wer Fahrradhelm fährt, nimmt eine dünne Wollmütze (Merino) drunter, hilft Wunder. Die Füße bleiben das Problemkind. Beim Biken werden sie schlecht durchblutet. Klickpedale sind im Winter durch die Kältebrücke ein No-Go, Winterwanderschuhe und Flatpedals besser. Hilfreich sind auch heizbare Sohlen-Heatpads. Ebenfalls Pflicht: eine Thermoskanne mit heißer Fruchtsaftschorle oder Tee ist der beste innere Aufwärmer vor der Abfahrt und bei Halbzeit der Tour.
Der größte Fehler: Frierend in die Abfahrt gehen, dagegen helfen Heat-Pads. Ausgekühlt leidet die Beweglichkeit und die Reaktionsschnelligkeit und steigert somit die Sturz und Verletzungsgefahr. Generell: Jede Stunde eine kleine Pause einlegen, etwas Essen und warmes Trinken, sowie die kühlen Füße aufwärmen.
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