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AutorenbildAlexander Sonderegger

Grenzgang!

„Zefix,zwanzg Kilo ufm Buckel, müade Füaß, schnufa wia a Roß und a dünne Luft dazu no, was mach i do eigentle?„

So oder ähnlich müssen sich wohl Schmuggler gefühlt haben, als diese kostbare Ware von der Schweiz rüber ins Ländle geschleust haben. 200 Jahre später, gleiche Stelle, ich hab‘ mein Spezi geschultert und stelle mir die gleiche Frage aber mit dem feinen Unterschied, dass Supermärkte und Kühlschränke beidseits der Grenze üppig gefüllt sind. Mangelware? Fehlanzeige. Stattdessen Wohlstandsgesellschaft und Jammern auf hohem Niveau.

Was liegt daher näher als die persönliche Komfortzone von Zeit zu Zeit zu verlassen? Aber wie bloß? Bei Xitrail, ganz einfach. Treffpunkt 08-Hundert bei Alex, Karte aufgeschlagen, eine wilde Tour (möglichst Erstbefahrung) ausgesucht und ab mit den Bikes auf den Pickup. Alex, Jürgen und Fred starten mal wieder ins Ländle-Gebirge. Die ersten 500 HM lassen wir uns gerne ( = Segen der Wohlstandsgesellschaft) von der Bahn transportieren. Danach ein paar Meter kurbeln, doch dann ist schon Schluss mit Lustig und die Carbon-Rösser müssen geschultert werden, hoch zum ersten Joch. Vorbei geht’s an stattlichen Haflingern, stattlichen Kühen, stattlichen Kuhfladen und leider auch an (nein, nicht stattlichen) Wanderern die es selbst auf 2.200m nicht lassen können sich daheim mittels Smartphone nach dem Wohlbefinden des Hamsters zu erkundigen ( = Fluch der Wohlstandsgesellschaft).

Aber genug des Philosophierens. Oben auf dem ersten Joch angekommen eröffnet sich uns eine fantastische Sicht vom Montafon bis ins Prättigau. Ein etwas in die Tage gekommenes Schild klärt uns auf, dass wir jetzt gleich die Landesgrenze überschreiten. Wir beschließen allerdings zuvor noch  ein paar Meter weiter dem Grenzgrad entlang zu klettern, holen so dann die Protektoren raus, setzen den Helm auf um uns auf den ersten Sinkflug zu begeben. Als ich jedoch Alex’s Hinterrad auf dem losen und sandigen Untergrund immer wieder Richtung Falllinie ausbrechen sehe, wird mir gleich klar, dass der folgende Ride nun etwas „advanced“ ausfallen wird. Fragende Blicke von Wanderern geben mir selten zu denken. Jetzt allerdings schon. Und wie so oft im Leben, ist der erste Eindruck ein bleibender. Auch dieses Mal. Unten angekommen ist die bittere aber einfache Erkenntnis die, dass der Alpenverein den Wanderweg nicht wirklich biketauglich angelegt hat. Wir beschließen daher mit Hacke und Schaufel wiederzukommen, verwerfen den Gedanken aber so gleich wieder, denn auch Xitrailer respektieren selbstredend Grenzen.

Doch wie soll’s nun weitergehen mit unserer Tour? Eins ist klar Xitrailer wären keine Xitrailer gäben sie unverrichteter Dinge auf. Also Protektoren abgelegt, Bike auf die Schultern gepackt, einen Schluck Wasser genommen und hoch zum zweiten und dritten Joch. Wir verlassen die Schweiz zugegeben mit einem etwas unbefriedigenden Gefühl. Und dann das noch! Der erneute Anstieg zieht sich länger hin als gedacht. Doch die atemberaubende Sicht auf die Sulzfluh und die benachbarten Weißplatten die sich wie mächtige Kalkwände vor uns aufbäumen lassen uns schnell alle Anstrengungen vergessen. Solch imposante Anblicke gibt es auch für altgediente Xitrailer wie Alex nur selten. So, jetzt aber! Wir schauen uns nach einer kurzen Brotzeit entschlossen in die Augen, klatschen ab und machen uns auf die letzten Meter entlang des Grats  in uns die Hoffnung keimend, dass die zweite Abfahrt zurück ins Ländle doch noch die ersehnte Versöhnung bringen wird. Kurz vor dem letzten Joch. Ein uns entgegenkommendes etwas betagtes Paar grüßt freundlich, setzt an zum gemütlichen Plausch, berichtet von ersten Bike-Erlebnissen im Gebirge irgendwann kurz nach dem Krieg (oder so) und segnet unsere Mission zurück ins Tal. Na wenn das jetzt nichts wird!

Geschwängert von Hoffnung rollen wir die letzten Meter zum Scheitelpunkt. Breites Grinsen vom rechten bis zum linken Ohrläppchen macht sich bei einem nach dem anderen von uns breit. Gänsehaut! Ein wie mit dem Bleistift gezogener Trail schlängelt sich 1.000 HM runter ins Tal. Wir überlegen nicht lange. Protektoren raus, Helm auf und Rock’n Roll! Wir haben schon viele Trails im Ländle gesehen und vor allem befahren, doch dieser (und da sind wir uns uneingeschränkt einig) ist in seinem episch wirkenden Verlauf ein wirkliches Highlight. Wir verlieren nur langsam an Höhe, meistern z.T. enge technische Spitzkehren, durchqueren Bachläufe und basteln uns durch Geröllfelder und Engstellen. Wir rollen dahin wie auf Pump Tracks, pushen die Bikes und nehmen Fahrt auf ehe die nächste Kehre kommt. Ich jauchze und grinse, was für eine Belohnung! Dann das noch! Wir tauchen ein in den Wald und ich wähne mich umgehend auf typisch Südtiroler Trails. Waldboden, Tannennadeln. Wir surfen am Hang dahin hören wie weiter unten ein Gebirgsbach rauscht und überwinden knifflige Hindernisse wie Wurzeln und Absätze fast im Autopilotmodus. Eine Spielerei hier eine Spielerei da. Das ist Biken vom feinsten. All die Plackerei zuvor ist wie vergessen. So soll’s sein. Bleibt nur noch das übliche Prozedere: Abklatschen, Bier trinken, Grinsen, Bilder verarbeiten.

Hurageil gsi Burschen! Fred P.S. Abends daheim angekommen ertappe ich mich dabei wie ich vor dem PC sitze und mittels Online-Kompass-Karte und Google Earth schon wieder die nächste Tour plane ( = Segen der Wohlstandsgesellschaft).

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