Im Herbst 2019 planten wir den Pamir Highway, eine der höchsten und spektakulärsten Straßen ´mit Pässen jenseits der 4000 m-Grenze, zu befahren. Um nicht nur im Auto zu sitzen, hatten wir einige Wanderungen entlang der Strecke eingeplant. Der einzige Haken an der Sache: Wir hatten gerade mal 3 Wochen Zeit.
Fazit nach absolvierter Reise: Bei guter Vorabplanung und Bereitschaft zu einem "gedrängten Programm" - manche würden von Freizeitstreß sprechen - kann man eine absolute Top-Reise erleben, bei der man viele Höhepunkte der Region besuchen kann. Trotzdem: Wer es sich leisten kann, sollte sich zumindest 5 Wochen Zeit nehmen. Hier nun ein Reisetagebuch mit den wichtigsten Infos, die potenziellen Pamir-Highway-Aspiranten ein paar Anhaltspunkte für eine Reisplanung bieten.
9.9.19: Flug über Türkei nach Bishkek (Hauptstadt von Kirgisien/ca. 6 Std). Das Hotel Interhouse, ein einfaches "Globetrotter-Hotel", hatten wir schon zuhause gebucht. Am Flughafen wartete das Taxi, das wir ebenfalls schon vorab zusammen mit dem Hotel gebucht hatten (US§ 10 fürs Shuttle). Unser erster Weg führte uns zur Reiseagentur Travel Land, über die wir einen Geländewagen, einen Nissan Patrol, gebucht hatten. (US§ 1300 für 17 Tage).
Danach ein Abstecher auf den sehenswerten Osh -Basar. In der Nähe des Hotels fanden wir dann noch ein ausgezeichnetes georgisches Lokal. Ein perfekter Auftakt.
Bild 1: Schild im Frühstücksraum des Interhouse: Bitte waschen Sie ihr Geschirr selbst ab!
10.9: Wir holen unser Aurto ab und fahren in Richtung Ala Archa Nationalpark, wo wir unsere erste Wanderung machen wollen. Auf halbem Weg kehren wir wieder um. Der rechte Stoßdämpfer "klopft". Die Leute schauen sich das kurz an und sofort wird der Stoßdämpfer ausgetauscht. Überhaupt ist die ganze Abwicklung bei Travel Land absolut perfekt und empfehlenswert.
Mit etwas Verspätung fahren wir dann wirklich in den Nationalpark. Beim Alplager (2100 m) starten wir am frühen Nachmittag unsere Wanderung zur Ratsek-Hütte (3200 m). Wir hatten ein Riesenglück: Es hatte am Vortag geschneit. Ich hatte schon viele schöne Bilder von der Wanderung gesehen, aber jetzt, nach den Schneefällen war die Landschaft noch um vieles schöner als auf all diesen Bildern. Eine traumhaft schöne Wanderung und wiederum ein perfekter Tagesabschluß in "unserem" georgischen Lokal.
11- 12.9: Fahrt nach Sary Moghol:
Am 2. Tag machen wir einen längeren Zwischenstopp in Osh, der zweitgrößten Stadt Kirgisiens. Wir decken uns mit Lebensmitteln ein. Hinter Osh beginnt der Pamir Highway. Für die nächsten Tage werden die Verpflegungsmöglichkeiten bescheidener sein. Außerdem werden wir in Tadschikistan immer selbst kochen. Das hat einen einfachen Grund. Im Vorfeld dieser Reise haben wir uns viele Berichte von Reisenden angeschaut, und in fast jedem war von mehr oder weniger schweren Durchfallerkrankungen die Rede. Viele Weltreisende sprechen in dieser Beziehung vom schlimmsten Land, das sie kennen.
In Osh gibt es ein gutes Tourismusbüro, in dem wir uns Infos und Karten für unsere nächste Wanderung holen. Danach vertreten wir uns unsere Autofahrerbeine bei einer kurzen Wanderung (ca. 200 hm) zum heiligen Berg von Osh, dem Suleiman Too. Bis knapp unterhalb des Gipfels ist man gemeinsam mit vielen anderen unterwegs. Dort befindet sich nämlich ein vielbesuchtes Mausoleum. Auf den letzten Metern zum Gipfel, der eine herrliche Aussicht über die Stadt bietet, ist man dann meist allein unterwegs, weil man dafür eine kurze Kraxelstelle überwinden muß.
13.9.: Sary Mogul/Wanderung Besh Köl:
Um den Ausgangaspunkt für die Wanderung zum Paß oberhalb der 5 Seen (Besh Kol/ca 4100 m) erreichen, muß man erst ein längeres Stück auf einer desolaten Piste von Sary Mogul flußaufwärts fahren. Ich war noch nie zuvor mit einem Geländewagen gefahren und dachte, das Auto würde jeden Moment auseinanderfallen. Ich habe dann im Lauf dieser Reise gelernt, was mit solchen Autos möglich ist und - vor allem - was sie aushalten. Nach ca. einer Stunde, in der wir kaum mehr als Schritttempo fuhren, war die Piste plötzlich zu Ende. Wir wollten schon wieder umkehren, als wir auf der anderen Seite des Flusses einen Geländewagen sahen. Offensichtlich war dort die richtige Piste. Normalerweise konnten wir maps.me trauen, aber dieses Mal hatte es uns auf die falsche Fährte geführt. Wir hatten nun die Wahl, den ganzen Weg zurückzufahren oder.....
Wie gesagt: Ich war ein Opel Corsa-Fahrer. Ich hatte keine Ahnung, was so ein Nissan Patrol hergibt. Ich watete über fußballgroße Geröllbrocken durch den Fluß auf die andere Seite. Richtig große Hindernisse konnte ich keine ausmachen und auch die Ausfahrt aus dem Fluß schien mir durchaus machbar. Es war eine schwierige Entscheidung. Sollten wir steckenbleiben, lag eine längere Fußwanderung vor uns. Und würde sich in dem kleinen Dorf überhaupt ein Abschleppwagen finden? Aber den ganzen Weg wieder zurückfahren und auf der anderen Seite wieder hoch. Ich schaltete erstmals das Allradgetriebe ein und gab Vollgas und schon standen wir auf der gegenüberliegenden Flußseite. Kein Problem für so einen Nissan Patrol. Aber woher hätten wir das wissen können.
Schon bald erreichten wir den Ausgangspunkt unserer Wanderung. Die nachfolgende Wanderung war dann spektakulär schön und und zog sich, obwohl wir höchstens zwischen 1100 und 1300 Höhenmeter zurücklegten, ordentlich in die Länge. So kam es, daß wir nochmals in Sary Mogul übernachteten, obwohl wir geplant hatten, gleich auf dem Pamir Highway weiterzufahren.
13.9 - 16.9: Fahrt von Sary Mogul über Murghab und Ishkashim ins Bartang Valley
Von Sary Tash (Kirgisien) bis Murghab (Tadschikistan) führt der Pamir Highway durch eine Hochgebirgswüste mit Pässen bis zu 4655 m Höhe (Ak Baital). Man bewegt sich meist in Höhen nahe der 4000 m Grenze. Hinter Murghab verlassen wir, wie fast alle Touristen, den eigentlichen Pamir Highway, der auf direktem Weg nach Chorog führt, und machen einen Umweg über das tiefer gelegene, fruchtbare Wakhan Tal. Die Straßen treffen in Chorog wieder aufeinander. Die Straße folgt im Wakhan Tal dem Grenzfluß Panj - auf der einen Seite Tadschikisten, auf der anderen Afghanistan. Die Landschaft mit grünen Oasen und tiefen Schluchten zählt zum Spektakulärsten, was ich auf meinen Reisen je gesehen habe. Das gilt nicht nur für den Pamir Highway und das Wakhan Tal, sondern für die gesamte Strecke bis Duschanbe und auch noch von dort weiter Richtung Usbekistan.
(Die Soldaten auf den Bildern unten warteten mitten im absoluten Nirgendwo auf ein Auto, das sie in ihre 50 km entfernte Kaserne mitnähme. Wir hatten die Sitzbank ausgebaut. Das störte sie nicht. Ihre Kaserne - im Hintergrund erkennbar - stand wiederum inmitten von Nirgendwo. Ich hatte meinen Grundwehrdienst in Absam/Tirol abgedient und hatte gemeint, das sei der Arsch der Welt. Ich werde nie mehr jammern.)
17.9.: Bartang Valley: Wanderung nach Jizeu - Fahrt nach Kalai Kumb
Hinter Chorog machen wir einen Abstecher ins Bartang Tal. Auf einer sehr schlechten Straße folgen wir dem Bartang-Fluß und erreichen nach ca 23 km eine Hängebrücke. Von dort wandern wir ins sehr schön gelegene Dorf Jizeu (ca 500 hm). Es gibt hier ein nettes Teehaus, das von vielen, meist jungen Reisenden besucht wird. Für die meisten ist das Teehaus der Endpunkt der Wanderung. Es lohnt sich aber, dem Weg noch weiter aufwärts zu folgen. Man sieht hier außerordentlich schöne Flußlandschaften. Als wir auf der Gegenseite einen Pfad entdecken, wollen wir den Fluß überqueren, um auf diesem wieder abzusteigen. Dabei reißt mir die Strömung einen Stock aus der Hand. Wir hatten im Fan-Gebirge eine viertägige Wanderung geplant. Ich mit meinen Knien 4 Tage mit Gepäck ohne Stöcke wandern: Das kann ich mir gleich abschminken. Das weiß ich. Also beginnt die Suche. Kreuz und quer kriechen wir weglos durch Büsche, waten durchs Wasser, folgen mäandernden Seitenarmen, entdecken dabei wunderschöne, abgelegene Winkel dieses Flußtals und nach mehr als einer Stunde Suche tatsächlich auch noch den Stock - in der Strömung verkeilt zwischen zwei Felsblöcken. So entpuppte sich der Verlust des Stockes letztlich als eine positive Fügung des Schicksals. Andernfalls hätten wir die schönsten Flecken dieses Tals gar nie zu Gesicht bekommen.
18.9.: Kalai Kumb - Ainy:
Fahrt durch wunderschöne Landschaften Richtung Usbekistan.
Ein besonderes Erlebnis war die Fahrt durch die Hauptstadt Tadschikistans, Duschanbe. In Duschanbe gibt es knapp 800 000 Einwohner aber keine Verkehrsschilder - auch nicht in Kyrillisch. Hier erwies sich maps me, obwohl es uns manchmal auch in die Irre führte, als Segen. Ohne maps.me würden wir wahrscheinlich heute noch in Duschanbe rumirren.
Unteres Bild: Rechts fahren wir, links - in Afghanistan - ein alter Bus
19.9 - 20.9: Fahrt von Ainy nach Artuch - Wanderung Fan Gebirge - Weiterfahrt nach Samarkand
Als zweiten Höhepunkt unserer Reise, neben der Befahrung des Pamir Highways, hatten wir eine viertägige Wanderung durch das Fan Gebirge eingeplant. Von Ainy, an der Strecke nach Usbekistan gelegen, fuhren wir aufwärts nach Artuch, Ausgangspunkt unserer Wanderung.
Wir hatten in den vorangegangenen Tagen viele schlechte Pisten kennengelernt, aber die Piste nach Artuch übertraf alles, was wir bis dahin gesehen hatten. Nur 2 Wochen zuvor hätte ich diesen Weg schlichtweg für unbefahrbar gehalten.
Das Fan Gebirge ist ein idealer Ort für verschiedenste kurze Trekkingtouren (4 - 8 Tage). Wir hatten uns eine viertägige Durchquerung zusammengestellt. Unsere erste Etappe sollte uns von Artuch (2200 m) über den Allaudin Paß (3860 m) zu den Allaudin Seen (2785 m) führen. Aufgrund der unerwartet schlechten Piste kamen wir später als erwartet in Artuch an. Wir starteten um die Mittagszeit und gleich führte uns das zuvor so gelobte maps.me auf den falschen Weg. Eine halbe Stunde krabbelten wir auf einem kaum erkennbaren Pfad durch das Gebüsch, ehe uns eine bemitleidenswerte junge Frau mit Zahnweh und geschwollenem Backen auf den richtigen Weg wies. Wir bedankten uns mit ein paar Schmerztabletten. Nach einem landschaftlich schönen Anstieg erreichten wir ein Hochplateau mit mehreren Seen. Dieses Mal waren wir schuld. Wir übersahen eine Abzweigung und folgten lange Zeit einem Weg, der ins Nichts führte. Nach mindestens einer Stunde Auf und Ab im steilen Geröll fanden wir dank maps.me wieder auf den richtigen Weg. Es war schon sehr spät, als wir auf den Paß kamen. Der Abstieg auf der anderen Seite wurde zu einem Wettlauf mit der Sonne. Es war schon dunkel, als wir die Allaudin Seen erreichten. Am nächsten Morgen machte mein Knie Probleme. Es war eine schwierige Entscheidung. Aber nochmals 3 Tage bis ins nächste Dorf mit einem 2200 Höhenmeter-Abstieg schien mir zu riskant. Wir gingen wieder zurück nach Artuch und fuhren weiter nach Samarkand.
Die Überquerung der Grenze nach Usbekistan dauerte 6 Stunden, aber nur weil wir Touristen vorgezogen wurden. Der Grenzübergang soll ein Knotenpunkt auf der Drogenroute von Afghanistan in den Westen sein. Alles Gepäck mußte raus, dann wurden Drogenhunde durchgeschickt. Nach einer halben Stunde war unser Auto überprüft. Den Einheimischen ging es schlechter. Da wurden Sitze ausgebaut, das ganze Auto in seine Einzelteile zerlegt. Für die dauerte ein Grenzübertritt manchmal 10 Stunden, manchmal Tage.
21.9 - 22.9.: Besichtigung von Samarkand - Weiterfahrt über Shymkent (Kasachstan) zum Issy Kul See in Kirgisien:
Am Genzübergang nach Kasachstan warten wir wieder 6 Stunden. Anne mußte aussteigen und zu Fuß auf einem vom Fahrzeugbereich durch Gitter abgetrennten Weg über die Grenze. Beim kasachischen Grenzhäuschen mußte sie zusammen mit 2 Grenzsoldaten auf mich warten - stundenlang. Hin und wieder ging ich vom Auto zum Grenzhäuschen hinüber, um mich mit ihr zu unterhalten. Die Zöllner ließen sie aber nicht mit mir zum Auto gehen. Als eine größere Menschengruppe ankam und die Zöllner abgelenkt waren, schlichen wir uns zum Auto davon. Als sie uns entdeckten ging das Geschrei los. Mir platzte der Kragen. Das war reine Schikane. Wütend ging ich zum Grenzhäuschen zurück. Die Zöllner kamen gar nicht zu Wort. Ich schrie sie wütend an, ich wolle sofort den Chef sehe. Ich klopfte mit der Faust auf den Tisch und schrie weiter und schrie weiter..... Sie schauten verdutzt und winkten mit den Händen: "Go, go, go..."
Anne durfte die nächsten Stunden mit mir im Auto warten. In Kasachstan dann in der Gegenrichtung eine kilometerlange Lkw-Schlange. Alle warteten sie auf die Abfertigung. Bei dem Tempo müssen die eine Woche oder länger warten.
23.9 - 24.9: Tamchy - Fahrt über Karakol in den Ala Köl Nationalpark - 2tägige Wanderung:
Von Tamchy, wo wir übernachtet hatten, fuhren wir nach Karakol und holten uns im dortigen Tourismusbüro ein paar Wanderinfos. Wir hatten eine Wanderung über den Alaköl Paß geplant. Dazu mußten wir erst von Karakol ein sehr holpriges Stück in den Nationalpark (ca. 2300 m) fahren. Am Nachmittag wanderten wir noch bis zu einem Campingplartz. Am nächsten Tag überquerten wir den Alaköl Paß (3900 m) und wanderten abwärts nach Altyn Arashin - eine großartige Wanderung, die schönste auf dieser Reise.
Von Altyn Arashin fuhren wir mit einem Geländewagen zurück nach Karakol. Ich habe viel über schlechte Pisten geschrieben, und ich hatte geglaubt, ich sei mittlerweile ein ganz ordentlicher Fahrer geworden. Nun erfuhr ich, daß ich immer noch ein ganz gewöhnlicher Corsa-Fahrer war. Das war keine Piste mehr, das war ein Flußbett, aber kein normales Flußbett, sondern ein richtig holpriges Flußbett, was wir da in einem alten russischen Geländewagen befuhren. Und was wir da machten, war nicht fahren, sondern Auto-Trial.
25.9. - 27.9. Karakol - Bishkek - Rückflug
"Abschlußbad" im kalten Issykul See
Nachtrag: Sehr gute Reiseinfos für die gesamte Region auf caravanistan.com
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